Wolfgang Amadeus Mozart

Symphonies Nos. 13, 16, 29 und 40

Folkwang Kammerorchester Essen, Ltg. Johannes Klumpp

Rubrik: CD
Verlag/Label: Genuin Leipzig
erschienen in: das Orchester 06/2019 , Seite 62

Mozarts Musik ist lange keine Bauch-Angelegenheit mehr. Zum Glück hat sich das herumgesprochen, auch wenn es bei einigen länger dauerte, bis sie begriffen, dass „der Bauch“ uns über Generationen nur eines diktierte: Romantik. Alles, was klassische Musik war, wurde durch die romantische Brille betrachtet, vor allem die Klassiker. Doch heute gibt es nicht mehr ­viele Musiker, die in dieser Tradition aufwuchsen und sich nicht belehren ließen.
Jüngere machen es umgekehrt: Sie wuchsen damit auf, dass man alles bis Mozart ohne Vibrato spielt, und sie nannten das „Historische Aufführungspraxis“. Freilich kann man auch das differenzierter sehen, und das Dogma vom „Non Vibrato“ ist dann auch eher eine Randerscheinung. Selbst ehemalige Hardliner wie Musica-Antiqua-Gründer Reinhard Goebel sehen das inzwischen gelassen und bevorzugen den Spaß des Musizierens.
Der Stuttgarter Johannes Klumpp lernte sein Handwerk bei Nicolás Pasquet und Gunter Kahlert in Weimar, er besuchte Meisterkurse bei ­Masur, Roschdestwenski und Jurowski und gewann Preise beim Dirigierwettbewerb in Besançon, beim Deutschen Hochschulwettbewerb in memoriam Herbert von Karajan und beim Deutschen Dirigentenwettbewerb.
Als Chefdirigent des Folkwang Kammerorchesters stellt er sich nun mit vier Mozart-Sinfonien auf CD vor: Es ist die Frucht einer Konzertreihe, mit der das Orchester in Essen reüssiert.
Die CD zeigt sofort, dass dieses Orchester und sein Leiter wissen, was historisch informierte Spielweise ist: Kein Geringerer als der Barockspezialist Gottfried van der Goltz ist der Erste Gastdirigent des Orchesters und hat schon oft mit diesem gearbeitet. Klumpp weiß die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu nutzen. So ist der Klang luzide und zugleich stringent, das Vibrato verdickt die Streicher nicht, lässt sie aber bisweilen „aufblühen“, die Bläser sind brillant. Im Tempo meist zügig, werden die Themen reich akzentuiert, ja artikuliert (bis in die Hörner!).
Der Dirigent differenziert genau zwischen Mozarts Frühwerk, das dem pudrigen Rokoko nahesteht, und reiferen Kompositionen, die entstanden, als Perücken aus der Mode kamen. So sind die Sinfonien F-Dur und C-Dur KV 112 und 128 durchweg tänzerisch gehalten, auch wenn das Andante in der ersten der beiden emotional sehr tief lotet und die zweite durch Originalität besticht.
Die Sinfonie A-Dur KV 201 als mittleres und die in g-Moll KV 550 als spätes Werk zeigen Dirigent und Orchester als prädestinierte Mozart-Interpreten, die den Notentext genau lesen und intelligent deuten. Soll heißen: Sie „sprechen“ mit der Musik und zelebrieren sie nicht. Sie belegen auch, dass modernes Instrumentarium einer historisch versierten Wiedergabe von Mozarts Werk nicht im Wege stehen muss. Nikolaus Harnoncourt wäre sicher entzückt gewesen.
Matthias Roth