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Die Berliner Staatsoper Unter den Linden.

© imago images/Future Image

Marketing als Schnickschnack: Leporello darf nicht platzen

Nach der Berliner Staatsoper werden auch die Programmhefte der Komischen Oper immer unhandlicher. Ein Ärgernis.

Au weia, jetzt hat sich auch noch die Komische Oper von irgend so einer hippen Werbeagentur eine Neugestaltung ihrer Monatsvorschau aufschwatzen lassen! Statt eines handlichen Heftchens, aus dem sich übersichtlich alle Informationen über die geplanten Aufführungen im September und Oktober entnehmen lassen, bekommen potenzielle Kartenkäufer ein kompliziert gefaltetes Produkt in die Hand, das vor allem eines auslöst: größtmögliche Verwirrung.

Musiktheaterfans kennen das Dilemma von der Berliner Staatsoper. Die ist bereits in vergangene Spielzeit in die Hände von Design-Hipstern gefallen – und hat sich vom klassischen Leporello verabschiedet. Nach Don Giovannis Diener ist die traditionelle Monatsvorschau benannt, die wie ein langer Einkaufszettel aufgebaut ist: In Mozarts Oper sind darauf die Namen aller Frauen verzeichnet, die der liebestolle Bassbariton bereits verführt hat, der heutige Besucher fand hier die Werke aufgelistet, mit Daten, Uhrzeiten und vor allem den Namen der beteiligten Künstler.

Sinnsprüche und Typo-Chaos

Damit ist jetzt Schluss: Die knallbunte Vorschau der Komischen Oper, die sich zum doppelseitig bedruckten Plakat entfaltet, gibt nur die allernötigsten Fakten preis und arbeitet stattdessen großzügig mit Fotos und Sinnsprüchen wie „Lebenslust trifft Liebesduft“. Bei der Staatsoper wiederum herrscht heilloses Typografie-Chaos: Es gibt blaue und goldbraune Schrift, Großbuchstaben schreien den Betrachter an, der September ist oval umrandet, der Oktober steckt in einer Raute, Richard Wagner in einem Kreis. Dass Maestro Barenboim ein Abonnementkonzert leitet, ist unten mittig zu lesen, wann genau das Ereignis stattfindet, steht ganz oben rechts.

Besonders nutzlos sind die Rückseiten der unhandlichen A2-Publikationen: Darauf befinden sich riesige Bilder, bei der Komischen Oper immerhin aus einer Inszenierung des Hauses, bei der Staatsoper eine frei assoziative Fotomontage. Nur: Wer ästhetisch daran Gefallen findet und sich den Kunstdruck an die Wand hängt, kann nicht mehr lesen, was künftig gespielt wird.

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Dieses Vorschau-Facelifting wirkt ähnlich peinlich wie der Griff alternder Menschen zu unangemessen jugendlicher Kleidung. Welche Zielgruppe haben die Opernhäuser im Blick? Die unter 30-Jährigen nehmen schon lange keine Druckerzeugnisse mehr in die Hand – weil die ja durch das Smartphone belegt ist. Und Menschen aus der oberen Hälfte der Alterspyramide, die Informationen noch gerne auf Papier nachlesen, dürften sich in den neuen Viel-Falt-Flyern ebenso verheddern wie ich.

Wie angenehm konservativ ist dagegen die Konzertreihe „Unerhörte Musik" im BKA am Mehringdamm. In deren Programm-Heftchen sind alle Infos übersichtlich auf einer Seite zusammengefasst, inklusive Werkliste und zwei, drei erklärenden Sätzen zu den Interpret:innen. Bei der „Unerhörten Musik“ wird übrigens fast nur zeitgenössische Musik gespielt. Wer inhaltlich so radikal von heute ist, der braucht eben keinen modischen Marketingschnickschnack.

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