Kritik

Münchner Philharmoniker mit Cellist Capucon: Der Gemeinde ins Herz reden

Cellist Gautier Capucon spielt Ernest Bloch, Lorenzo Viotti dirigiert die Münchner Philharmoniker.
| Michael Bastian Weiß
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Der Cellist Gautier Capucon mit Lorenzo Viotti in der Isarphilharmonie.
Der Cellist Gautier Capucon mit Lorenzo Viotti in der Isarphilharmonie. © Tobias Hase/Münchner Philharmoniker

München - Was zum Beispiel das typisch "Wienerische" in der Musik sei, ist leichter wahrzunehmen als präzise zu definieren. Noch viel heikler wird es, wollte man ein spezifisch "jüdisches" Moment bezeichnen, zumal das Gift des nach wie vor grassierenden Antisemitismus' jede Verständigung darüber erschwert.

Im Falle Ernest Blochs türmen sich die Schwierigkeiten noch weiter auf, weil der Komponist sich - Arnold Schönberg ähnlich - nachdrücklich zu seinem Judentum bekannte, aber dessen Ausdruck nicht auf die Verwendung religiöser Melodien oder Volksmusik beschränkte.

Und als ob das noch nicht genug sei, gibt es für Blochs Meisterwerk "Schelomo" hierzulande keine Aufführungstradition. Trifft Gautier Capucon also als Solist dieser "Hebräischen Rhapsodie" gewissermaßen den "richtigen Ton"? Wenn es diesen überhaupt gibt?

Gautier Capucon : Unnachgiebiger Druck auf die Saiten seines Violoncellos 

Was man zweifelsfrei sagen kann, ist, dass der Franzose seinen Vortrag mit einem alttestamentarischen Ernst versieht, die dem Ruhm des titelgebenden biblischen Königs Salomo gerecht wird. Schon sein erster, wie gestochen markierter Einsatz, suggeriert Autorität ohne Lautstärke.

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In den langen Solopassagen übt Capucon unnachgiebigen Druck auf die Saiten seines Violoncellos aus, als ob er mit seiner Predigt der Gemeinde in der Isarphilharmonie direkt ins Herz reden wollte. Die aufsingenden, aufweinenden Portati intoniert er mit Wange und Ohr so dicht am Griffbrett, dass er die melodischen Schleifer genauestens dosieren kann. Kurzum: Gautier Capucons Interpretation vereint jene Emphase, Großzügigkeit und Weisheit, die man dem biblischen Salomo zuschreibt.

Dirigent Lorenzo Viotti: Das Tutti kommt dem Solocello bisweilen gefährlich nahe 

Die Münchner Philharmoniker unterstützten ihren charismatischen Solisten mit höchst expressiven Klagerufen, beschwörenden Rezitationen und umarmenden motivischen Aufschwüngen. Leider gelingt es Lorenzo Viotti nicht, alle diese Ereignisse so gegeneinander zu gewichten, dass das Tutti dem Solocello nicht bisweilen gefährlich nahe kommt, und auch die Balance innerhalb des Orchesters ist nicht immer ausgewogen.

Der Schweizer ist eine der kommenden Figuren der Dirigentenszene. Noch ist er vielleicht offen für konstruktive Kritik. Schon beim frühen Richard Strauss ist die anspringende Gestik seiner Motive voll ausgeprägt. Die Philharmoniker könnten solche Passagen in der symphonischen Fantasie "Aus Italien" leicht entsprechend hervorheben, man müsste sie nur dazu animieren.

Würde Viotti scheinbare Begleitfloskeln als rhythmische Impulse erkennen, würde sich der hier bisweilen mangelnde Schwung wie von selbst einstellen. Und eines noch: Diese Partitur strotzt vor Anspielungen auf ältere Kollegen von Strauss. Zumindest die frechen Grüße an Johannes Brahms könnten noch weit anschaulicher herausgeholt werden.

Noch einmal am Sonntag, 11 Uhr, Isarphilharmonie. Ein Mitschnitt am 8. Februar ab 20 Uhr auf BR Klassik

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